Liegen Eltern mit ihren eigenen Eltern im Streit, können die Großeltern keinen Umgang mit ihren Enkeln erzwingen. Wegen drohender Loyalitätskonflikte würde dies dem Kindeswohl widersprechen, heißt es in einem vom Bundesgerichtshof veröffentlichten Beschluss zum Az. XII ZB 350 / 16.
Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Großeltern mütterlicherseits begehren Umgang mit den beiden minderjährigen Enkeln. Die Kinder wachsen bei ihren leiblichen Eltern auf. Nach der Geburt hatten die Kinder zunächst regelmäßigen Umgang mit den Großeltern. Immer wieder gab es jedoch Streit zwischen den Eltern und Großeltern über die Erziehung der Kinder. Aus diesem Grund brachen die Eltern den Kontakt zu den Großeltern ab. Später wurde der Kontakt wieder aufgenommen. Die Großeltern durften Umgang mit ihren Enkeln pflegen; im Gegenzug dazu stellten die Großeltern den Eltern ein zinsloses Darlehen zur Verfügung. Dieses Darlehen sollte sofort zur Rückzahlung fällig sein, sofern durch die Eltern das Umgangsrecht nicht mehr gewährt würde. Die Großeltern mischten sich weiterhin in die Erziehung ein. Diese gipfelte schließlich in einem Brief an das Jugendamt, in dem die Großeltern den Eltern eine seelische Misshandlung der Enkelkinder vorwarfen. Daraufhin brachen die Eltern den Kontakt endgültig ab.
Vor dem zuständigen Amtsgericht forderten die Großeltern ihr Recht auf Umgang zu den Enkeln ein. Das Gericht stellte den Enkelkindern einen unabhängigen Verfahrensbeistand bei, holte ein familienpsychologisches Gutachten ein und wies die Großeltern im Ergebnis mit ihrem Antrag ab. Das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung.
Zu Recht, wie der BGH entschied. Gemäß § 1685 Abs. 1 BGB haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Kindeswohl dient. Grundsätzlich gehört der Umgang mit anderen Personen (als den Eltern) zu denen das Kind Bindungen besitzt, zum Wohl des Kindes, wenn deren Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist. Der Umgang der Großeltern mit dem Kind dient hingegen in der Regel nicht seinem Wohl, wenn die-den Umgang ablehnenden-Eltern und Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete. Der Erziehungsvorrang ist von Verfassung wegen den Eltern zugewiesen. Ist zu befürchten, dass die Großeltern diesen Vorrang missachten, lässt dies ein Umgangsrecht deshalb als nicht kindeswohldienlich erscheinen.
In vorliegendem Fall respektieren die Großeltern den Erziehungsvorrang der Eltern nicht. Im Gegenteil: Sie stellen deren Erziehungskompetenz auch gegenüber Dritten, hier dem Jugendamt, infrage, indem sie die Eltern der seelischen Misshandlung der Kinder bezichtigen was sich im Ergebnis nicht bestätigt hatte. Würde vorliegend ein Umgang angeordnet, würde ein Loyalitätskonflikt für die Kinder entstehen. Dabei ist unerheblich, ob die Ursachen hierfür eher bei den Eltern oder bei den Großeltern liegen. Allein der Umstand, dass die Eltern nur bereit waren, einen weiteren Umgang zuzulassen, wenn die Großeltern ihnen ein zinsloses Darlehen gewähren, zeigt, wie desolat das Verhältnis zwischen ihnen ist.
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht Anja Koltermann-Drieling